Zufall oder Fügung?

Als im November 1958 an der Jenaer Universität die Akademische Orchestervereinigung gegründet wurde, existierte im Rahmen der Evangelischen Studentengemeinde eine Kurende, die von Siegfried Nordmann geleitet wurde. Er studierte Medizin, zuvor war er Mathematik- und Musiklehrer an der Oberschule Rodewisch sowie Kantor. Alsbald gab es Kontakte und man zog gemeinsam in Dörfer des Thüringer Waldes, um Bachkantaten aufzuführen – zuletzt im Dezember 1961 das Weihnachtsoratorium. Da waren die Vorbereitungen für die erste Hiddenseereise 1962 bereits in vollem Gange.  Hans Lehmann, Flötist im Uni-Orchester und Leiter der Musikalienhandlung „Max-Reger-Haus“, hatte seit 1959 durch Inselaufenthalte und Musizieren in der Klosterkirche Erfahrungen gesammelt. Gemeinsam mit Inselpastor Arnold und  Oberkonsistorialrat Labs konnten weitere Auftrittsorte an der Reiseroute gefunden werden. Vom ersten Jahr an war Usedom-Stadt und das dortige Umland einbezogen. So begann eine Tradition, die sich letztlich bis heute zum alljährlichen kirchenmusikalischen Höhepunkt auf der Insel mit Soli, Chor und Orchester entwickelte.

Landeskirchenmusikdirektor Hans Pflugbeil war über die Begegnung mit den Jenaern so begeistert, dass er die Instrumentalisten für die Greifswalder Bachwoche 1963 einlud, um gemeinsam mit dem Dresdner Collegium musicum die Aufführungen zu gestalten. Siegfried Nordmann, inzwischen im Beruf als Arzt tätig, konnte die Leitung der Musici nicht mehr wahrnehmen.

Sein Nachfolger ist seit 1964 Hermann Schmalfuß, auch aus Rodewisch stammend – ebenfalls ein profunder Musiker – im Berufsleben Dipl.-Ing bei der Eisenbahn. Während  seines Studiums in Dresden war er unter Kreuzkantor Rudolf Mauersberger aktiv. Alsbald durfte aus politischen Gründen auf den Plakaten im kirchlichen Raum  der Name der Friedrich-Schiller-Universität nicht mehr erscheinen. So nannte sich das Ensemble fortan Musici Jenenses und schloss sich dem Kirchenchorwerk der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Thüringen an, wo Hermann Schmalfuß später mit dem Titel Kantor geehrt wurde.

Die Liste jener Werke, die über die Jahrzehnte aufgeführt worden sind, ist lang, auch jene mit den Namen der Gesangs- und Instrumentalsolisten. Einst musizierten Studenten aller Fakultäten und Liebhaber aus der Stadt im Orchester. Heute sind es Generationen übergreifend professionelle Musiker aus Leipzig, Weimar, Jena, Schwerin, London, Budapest und anderen Orten, die sich mit Begeisterung dem Motto „Cantate Domino“ zu stellen wissen.

Für die Musici Jenenses ist es zusätzlich ein Phänomen, dass schon zu DDR- Zeiten Musikfreunde ihren Hiddenseeurlaub danach einrichteten, wenn die Jenenser vor Ort waren, was mitunter schwierig gewesen ist. Nicht zuletzt haben sich über die Musik hinaus Bindungen zu den Einheimischen  entwickelt und manche Episode in Freud und Leid wird in lebhafter Erinnerung bleiben eingedenk all derer, die, um mit  Matthias Claudius aus dem Brief an seinen Sohn zu sprechen, „den Weg gegangen sind, dem man nicht wiederkömmt“.

Die eingangs gestellte Frage muss aus Sicht der Musici Jenenses mit „Fügung“ beantwortet werden, denn es findet über die Zeiten bis heute in Gottesdienst und Konzert eine Art musikalische Theologie des Weges statt. Dank an das Pfarramt für die Organisation und seine vielen Helfer sowie Unterstützer vor Ort.

Im Namen der Musici Jenenses
Hans Lehmann